Marcus Wellhöner ist geschäftsführender Gesellschafter mehrerer Immobilienunternehmen und seit vielen Jahren in der Immobilienbranche tätig. Mit seinen Unternehmen Wellhöner Immobilien ist er auf Immobilienvermittlung, Immobilienverwaltung und Immobilienbewertung spezialisiert.
Der Wunsch nach Sicherheit wächst – besonders dort, wo viele Menschen unter einem Dach leben. In Mehrfamilienhäusern sind Überwachungskameras längst kein seltener Anblick mehr. Sie sollen schützen, abschrecken und im Ernstfall Beweise liefern. Doch sobald eine Kamera den Blick über den privaten Bereich hinaus richtet, berührt sie auch die Rechte anderer. Damit wird aus der Technik schnell eine juristische Gratwanderung zwischen Schutzinteresse und Persönlichkeitsrecht.
Videoüberwachung gilt vielen als wirksame Prävention gegen Einbrüche, Vandalismus oder Diebstahl. Die jüngsten Kriminalstatistiken zeigen, dass Einbruchsdelikte trotz moderner Sicherheitstechnik auf hohem Niveau bleiben. Umso naheliegender scheint es, Eingangsbereiche, Tiefgaragen oder Kellerräume mit Kameras auszustatten. Doch rechtlich ist die Lage komplizierter, als es auf den ersten Blick wirkt.
Grundsätzlich darf niemand ohne Zustimmung überwacht werden – schon gar nicht in seinem Wohnumfeld. Das Recht, sich unbeobachtet zu bewegen, ist ein zentraler Bestandteil der persönlichen Freiheit. Eine Kamera, die den Hausflur, den Zugang zur Wohnung oder gar den Nachbarbereich erfasst, greift in dieses Recht ein, selbst wenn sie angeblich nur zu Sicherheitszwecken installiert wurde.
Die Gerichte urteilen seit Jahren streng, wenn es um die Wahrung der Privatsphäre geht. In zahlreichen Fällen wurde entschieden, dass Überwachungsanlagen in gemeinschaftlich genutzten Bereichen wie Treppenhäusern, Waschküchen oder Tiefgaragen unzulässig sind, wenn nicht alle Betroffenen zustimmen. Schon die bloße Möglichkeit, erfasst zu werden, kann eine unzulässige Beeinträchtigung darstellen – man spricht dann vom sogenannten „Überwachungsdruck“.
Der Vermieter zwischen berechtigtem Interesse und Rechtsverletzung
Auch Vermieter stehen in der Thematik vor einem Dilemma: Einerseits tragen sie Verantwortung für die Sicherheit ihres Gebäudes, andererseits dürfen sie den privaten Lebensbereich der Mieter nicht verletzen. Eine Kamera, die den Eingangsbereich, den Hausflur oder den Fahrradkeller überwacht, mag ein Gefühl von Kontrolle schaffen, verletzt aber häufig das Persönlichkeitsrecht der Bewohner.
Gerichte haben wiederholt betont, dass Videoüberwachung in Mehrfamilienhäusern nur in Ausnahmefällen erlaubt ist – etwa wenn es in der Vergangenheit zu wiederholten Einbrüchen, Beschädigungen oder Diebstählen kam. Selbst dann ist die Maßnahme nur zulässig, wenn sie verhältnismäßig ist, also keine milderen Mittel zur Verfügung stehen. Ein besseres Schließsystem, regelmäßige Kontrollgänge durch den Hausmeister oder eine verbesserte Beleuchtung sind meist die schonendere Alternative.
Hinzu kommt: Eine Kamera darf nie verdeckt betrieben werden. Bewohner müssen wissen, wenn sie einen überwachten Bereich betreten. Entsprechend sind Hinweisschilder Pflicht. Außerdem darf eine Anlage nur jene Bereiche erfassen, die tatsächlich schutzwürdig sind – also nicht den Gehweg, das Nachbargrundstück oder fremde Fenster.
Die Entscheidung der Eigentümergemeinschaft
In Wohnungseigentümergemeinschaften wird die Frage der Videoüberwachung besonders heikel. Zwar kann eine Gemeinschaft grundsätzlich beschließen, bestimmte Bereiche des Gemeinschaftseigentums zu überwachen – etwa Eingänge oder Tiefgaragen –, doch die Zustimmung aller ist dabei nicht immer selbstverständlich.
Mehrfach haben Gerichte entschieden, dass bereits der Widerspruch eines einzelnen Eigentümers ausreichen kann, um eine geplante Überwachung zu verhindern, sofern keine akute Gefährdungslage besteht. Das Persönlichkeitsrecht wiegt in der Regel schwerer als das Sicherheitsinteresse der Mehrheit. Lediglich wenn konkrete Straftaten vorliegen oder ein begründeter Verdacht besteht, kann eine Mehrheit der Eigentümer eine Kamera durchsetzen. Selbst dann gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit: Die Überwachung darf sich nur auf das Notwendige beschränken, muss technisch so eingestellt sein, dass keine unbeteiligten Personen gefilmt werden, und die Aufzeichnungen sind zeitnah zu löschen.
In der Praxis bedeutet das, dass eine Eigentümergemeinschaft gut beraten ist, den Beschluss über eine Kameraüberwachung sorgfältig vorzubereiten. Dazu gehört eine genaue Dokumentation, warum sie nötig ist, welche Bereiche erfasst werden und welche Alternativen geprüft wurden. Ein transparenter Umgang und klare Regeln zur Nutzung der Aufnahmen können helfen, rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden.
Wenn Nachbarn ins Bild geraten
Nicht nur innerhalb eines Hauses, auch zwischen Grundstücksnachbarn führt Videoüberwachung immer wieder zu Streit. Eine Kamera, die den eigenen Garten überwachen soll, darf nicht auf Nachbarflächen oder öffentliche Wege gerichtet sein – selbst dann nicht, wenn der Eigentümer versichert, sie diene nur dem Schutz seines Eigentums.
Schon die theoretische Möglichkeit, dass das Nachbargrundstück erfasst wird, kann ausreichen, um einen Unterlassungsanspruch zu begründen. Das bedeutet: Auch wenn die Kamera nie tatsächlich auf das Nachbargrundstück schwenkt, sondern nur in der Lage wäre, dies zu tun, kann sich der Betroffene gegen die Anlage wehren. Gerichte stellen hierbei klar, dass der Schutz vor einem ständigen Gefühl der Beobachtung Vorrang hat.
Etwas anderes gilt nur, wenn die Überwachung eindeutig begrenzt ist – etwa bei einer Klingel- oder Türsprechanlage, die nur kurzzeitig ein Bild überträgt, sobald jemand klingelt. Eine dauerhafte Speicherung oder Übertragung von Bildern wäre dagegen unzulässig.
Mieter und die private Nutzung von Kameras
Auch Mieter selbst dürfen auf „ihr“ Stück Sicherheit setzen, solange sie ausschließlich den Bereich überwachen, der ihnen allein zur Nutzung überlassen wurde – also die eigene Wohnung. Die Installation von Kameras in Gemeinschaftsräumen oder auf Flächen, die andere Bewohner mitnutzen, ist dagegen tabu.
Sogenannte smarte Türklingeln mit Kamera oder digitale Türspione stehen besonders häufig im Mittelpunkt juristischer Auseinandersetzungen. Selbst wenn sie keine Aufnahmen speichern, kann schon die Liveübertragung des Flurs eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts anderer Hausbewohner darstellen. Anders kann es nur sein, wenn es besondere Umstände gibt – etwa eine Sehbehinderung, die den Einsatz technischer Hilfsmittel rechtfertigt.
Die Rolle der Verhältnismäßigkeit
Ob eine Kamera erlaubt ist, hängt stets von einer Abwägung ab. Auf der einen Seite steht das berechtigte Interesse, Eigentum und Sicherheit zu schützen. Auf der anderen Seite steht das Recht, sich unbeobachtet zu bewegen. Gerichte prüfen deshalb sehr genau, ob die Maßnahme wirklich erforderlich ist und ob mildere Mittel nicht denselben Zweck erfüllen könnten. Die Speicherung von Aufnahmen darf nur so lange erfolgen, wie sie für den konkreten Zweck nötig ist – in der Regel also höchstens wenige Tage. Danach müssen sie gelöscht werden, es sei denn, ein tatsächlicher Vorfall rechtfertigt die längere Aufbewahrung. Auch der Kreis der Personen, die Zugriff auf die Aufnahmen haben, muss eng begrenzt sein. In der Regel sind das nur der Eigentümer oder Hausverwalter. Eine Weitergabe an Dritte, etwa Nachbarn oder private Sicherheitsdienste, ist nur in Ausnahmefällen zulässig.
Videoüberwachung im Mehrfamilienhaus bleibt ein sensibles Thema, in dem Sicherheit und Freiheit unmittelbar aufeinandertreffen. Die Rechtsprechung zeigt deutlich, dass technische Machbarkeit und rechtliche Zulässigkeit zwei verschiedene Dinge sind. Jede Kamera, die mehr erfasst als das eigene Eigentum, bewegt sich rechtlich auf dünnem Eis.
Zulässig ist die Überwachung dort, wo ein konkreter Anlass besteht, alle Betroffenen informiert sind und die Maßnahme auf das unbedingt Erforderliche beschränkt bleibt. Verdeckte oder dauerhafte Überwachung, weitwinklige Aufnahmen und die Erfassung von Gemeinschaftsbereichen ohne Zustimmung sind dagegen unzulässig.
Über Marcus Wellhöner
- Wellhöner Immobilien im Managerblatt
- Experten-Interview mit Marcus Wellhöner
- EURO-LEADERS: Die Immobilienbranche in Zeiten der Corona-Pandemie
- Marcus Wellhöner über Vermietungsmanagement
- Wellhöner Immobilien Blog
- Fachbeitrag für das Dienstleisterverzeichnis
- Fachbeitrag im Managerblatt
- Unternehmens-Wiki: Wellhöner Immobilienmanagement GmbH & Co. KG
- Die Wellhöner Immobilienmanagement GmbH
- Fachbeitrag bei Euro-Leaders: Immobilien-Experte Marcus Wellhöner über die Begrünung von Dächern – Eine ungenutzte Chance für Städte und Immobilienbesitzer
- Wellhöner Immobilien im Dienstleisterverzeichnis
